11.06.25
Danish String Quartet
Mittwoch, 11. Juni 2025, 19 Uhr
Frederik Øland – Violine
Rune Tonsgaard Sørensen – Violine
Asbjørn Nørgaard – Viola
Fredrik Schøyen Sjölin
–
Violoncello
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Dauer: ca. 50 min │ Pause │ ca. 30 min
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Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)
Divertimento F-Dur KV 138
I. Allegro
II. Andante
II. Presto
Caroline Shaw (*1982)
Entr’acte für Streichquartett
Joseph Haydn (1732–1809)
aus dem Streichquartett F-Dur op. 77 Nr. 2
III. Andante
Igor Strawinsky (1882–1971)
Drei Stücke für Streichquartett
I. [Danse]
II. [Excentrique]
III. [Cantique]
Turlough O’Carolan (1670–1738)
Arr. Danish String Quartet
Mabel Kelly
Planxty Kelly
Carolan’s Quarrel with the Landlady
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PAUSE
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Dmitri Schostakowitsch (1906–1975)
Streichquartett Nr. 3 F-Dur op. 73
I. Allegretto
II. Moderato con moto
III. Allegro non troppo
IV. Adagio
V. Moderato
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Für welche Besetzungsstärke Wolfgang Amadé Mozart im Jahr 1772 seine
drei Divertimenti schrieb – bisweilen werden sie auch als „Salzburger
Sinfonien“ bezeichnet–, ist unklar. Wahrscheinlich ließ er dies bewusst
offen, und sie wurden je nach Aufführungsort und -umstand mal in
Quartettbesetzung, mal im Streichorchester aufgeführt. Wie in den beiden
anderen Werken der Gruppe ist auch im F-Dur-Divertimento KV 138 der
Einfluss italienischer Musik spürbar, wie er sie auf seinen Reisen seit
1769 kennen gelernt hatte. Die dreisätzige Form folgt der italienischen
Sinfonia-Tradition, der vierstimmige Satz ist in den Ecksätzen von der
virtuos-sanglichen ersten Violinstimme und spritzigen Begleitmustern
geprägt. Eine unvergessliche Eingebung ist der Andante-Mittelsatz,
dessen zweiter, in weiten Intervalsprüngen sich entfaltender Gedanke
eine schmerzliche Melancholie anklingen lässt. Sie wird vom
Presto-Finale hinweggefegt, das mit einer Fugato-Passage und einem
herrlich hingetupften Nebenthema beste Unterhaltung im Zeitraffer
liefert.
Die 1982 in den USA geborene, 2013 mit dem Pulitzer
Prize of Music ausgezeichnete Komponistin, Geigerin und Sängerin
Caroline Shaw hat sich 2011 für ihr neoklassisches Stück „Entr’acte“ (Zwischenaktmusik)
von Joseph Haydns Streichquartett op. 77 Nr. 2 inspirieren lassen;
genauer gesagt, vom Wechsel des F-Dur-Menuetts ins Trio, das
überraschenderweise in Des-Dur steht: „Ich liebe die Art und Weise, wie
manche Musik (etwa die Menuette aus Op. 77) einen plötzlich auf die
andere Seite von Alices Spiegel bringt, in einer Art absurdem, subtilen
Übergang in Technicolor.“ Shaw setzt dieses Gefühl in ihrem später auch
für Streichorchester umgearbeiteten Stück in einer dreiteiligen Form um:
Ein geflüstertes, zunächst zögerliches Vierton-Motiv wird dringlicher,
fällt harmonisch aus dem Rahmen und kippt ins Geräuschhafte weg, bis ein
so genanntes „Bartók-Pizzicato“ (bei dem die Saite auf das Griffbrett
knallt) den Übergang in den die Funktion eines Trios einnehmenden
Mittelteil signalisiert. Dieser beginnt gezupft und strahlt zunächst den
Charakter eines Renaissance-Tanzes aus, bis eine gehauchte Melodie in
der ersten Geige in einer tiefere Ausdrucksebene führt. Die Pizzicati
laufen aus dem Ruder, was einen neoklassizistischen Teil mit
Durchführungscharakter auslöst, auf den die Bratsche mit einem
minimalistischen Ostinato antwortet. Glissandi und Flageoletts bahnen
schließlich den Weg zu einer Wiederkehr des ruhigen Viertonmotivs des
ersten Teils. Am Ende setzen gezupfte Akkorde im Cello behutsame
Fragezeichen hinter diese Reprise.
Dieser zeitgenössischen
Reflexion lässt das Danish String Quartet das Andante aus jenem
F-Dur-Quartett op. 77 Nr. 2 folgen – Haydns letztes vollendetes
Streichquartett –, das Caroline Shaw inspirierte. Haydn stellt in diesem
Variationssatz das anmutig schlichte Thema zunächst nur in der ersten
Violine mit Cellobegleitung vor, reichert es zum markanten Ende hin aber
an. Nach den Variationen leitet eine virtuos-kadenzartige Violinpassage
zur Reprise des Themas in seiner Ausgangsgestalt zurück. Diese
verklingt in einer innigen Coda im Nichts.
Mit seinen Drei
Stücken für Streichquartett schrieb Igor Strawinsky 1914 sein erstes
Kammermusikwerk. Kompakt, konzentriert, kompromisslos – so könnte man
diese Miniaturen beschrieben, deren nervös-angespannte Stimmung man mit
dem Beginn von Strawinskys Exiljahren in Verbindung bringen kann. Die
Überschriften, die der Komponist den Stücken später in der
Orchesterfassung von 1928 gab (im Rahmen seiner Vier Etüden) deuten
ihren Charakter an: Den nach fahlem Beginn volksliedhaft trotzig um sich
kreisenden, gerade einmal einminütigen ersten Satz nannte er „Tanz“,
den zweiten „Exzentrisch“: Von einem Varieté-Clown, den er erlebt hatte,
inspiriert, lässt Strawinsky die Musik zwischen kurzen melodischen
Inseln unvorhersehbar zucken. Als längster Satz greift der dritte
(„Gesang“) den gehauchten Beginn des Werkes wieder auf und entfaltet
dann einen in sich gekehrten, an den Choral der russisch-orthodoxen
Kirche gemahnenden Gesang.
Der blinde Harfenist und Komponist
Turlough O’Carolan ist Irlands musikalischer Nationalheiliger. Seine
Lieder, die überwiegend ohne ihre Texte überliefert sind, prägen seit
ihrer Entstehung Ende des 17., Anfang des 18. Jahrhunderts unsere
Vorstellung von irischer Musik. Ihre Volkstümlichkeit täuscht dabei
darüber hinweg, dass Carolan auch mit der Kunstmusik seiner Zeit
vertraut war und in seinen Stücken oft Elemente aus Folklore und
italienischem Barock miteinander verband. Als reisender Musiker
verdiente er seinen Lebensunterhalt vor allem mit Auftragskompositionen,
so genannten „Planxtys“, die dann den Namen des Widmungsträgers
erhielten. Das Danish String Quartet präsentiert in seinem heutigen
Programm drei seiner Bearbeitungen dieses Repertoires: das nachdenkliche
„Mabel Kelly“, das melancholisch-tänzerische „Planxty Kelly“ und
„Carolan’s Quarrel with the Landlady“, wobei sich Carolans Streit mit
seiner Vermieterin allerdings bald in Wohlgefallen aufgelöst zu haben
scheint…
Das 3. Streichquartett F-Dur op. 73 von 1946 ist ein
meisterhaftes Beispiel für Dmitri Schostakowitschs Kunst der
Doppelbödigkeit. Wie schon in seiner 9. Symphonie feierte der Komponist
das siegreiche Ende des „Großen Vaterländischen Krieges“ nicht mit einem
repräsentativ-triumphierenden Werk, sondern baute in die vordergründig
klassizistisch aufgegriffene Gattungstradition grimmige Widerhaken und
nachdenklichen Ausdrucksgehalt ein. So entwickelt sich aus dem
aufreizend harmlos daherkommenden Hauptthema des eröffnenden Allegretto
in der Durchführung eine sich immer weiter zuspitzende Doppelfuge. Das
an zweiter Stelle stehende Moderato con moto vermittelt zunächst den
Eindruck von verbissener Rastlosigkeit, um dann resigniert auf der
Stelle zu treten und desolat zu verklingen. Das fast gewalttätige
Allegro non troppo zieht imaginären Marschierenden mit dem Wechsel von
2/4- und 3/4-Takt den Boden unter den Füßen weg. Emotionales Herzstück
des Werkes ist das Adagio, das in seinem eindringlichen Klagegestus als
Requiem auf die Opfer des Krieges gelesen werden kann. Nahtlos schließt
sich als Finalsatz ein vordergründig gelassen wirkendes Moderato an,
dessen 6/8-Fluss sich zunehmend verdichtet und nach einer tänzerischen
Episode auf eine fast katastrophisch anmutende Wiederkehr des
Hauptthemas aus dem Adagio zuläuft. Danach kommt der Tanz nurmehr
zögerlich in Gang; über einem gehaltenen, prekären Trost spendenden
F-Dur-Akkord beenden ein schmerzlich-resignierter Abgesang und drei
gezupfte Akkorde der ersten Violine das Werk morendo (so die
Vortragsbezeichnung), also „sterbend“.
Dr. Juan Martin Koch (c) Kulturwald gGmbH 2025
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Danish String Quartet
Das für den GRAMMY® nominierte Danish String Quartet hat sich zu einem
der gefragtesten klassischen Quartette unserer Zeit entwickelt. Es wird
für seine „intensive Verschmelzung, extreme dynamische Variation (in der
sie zusammenzukleben scheinen), perfekte Intonation selbst bei
Flageoletts sowie konstante Vitalität und Fluss“ (Gramophone) gefeiert
wird und ist für seine spürbare Freude am Musizieren bekannt.
Die
einfallsreiche und faszinierende Programm- und Repertoireauswahl des
Quartetts hat zu von der Kritik gefeierten Projekten und
Auftragskompositionen sowie zu anspruchsvollen Arrangements
skandinavischer Volksweisen geführt. Im August 2024 veröffentlichte das
Quartett bei ECM sein lang erwartetes drittes Album mit traditionellen
und originellen, von der Volksmusik inspirierten Liedern, „Keel Road“.
Die Veröffentlichung von „Keel Road“ markierte das zehnjährige Jubiläum
des Quartetts in der Erforschung skandinavischer Folk-Traditionen,
beginnend mit dem 2014 erschienenen Album „Wood Works“ und gefolgt von
„Last Leaf“.
Mit einem wachsenden Publikum in Nordamerika gehen die
Musiker in dieser Saison auf vier Tourneen, die sie in 24 Städte in den
USA und Kanada führen und mit großen Sommerfestivals wie Aspen und
Tanglewood beginnen. Außerdem werden sie in der Library of Congress in
Washington, DC, bei Cal Performances und UC Santa Barbara Arts &
Lectures in Kalifornien, in der Carnegie Hall in New York, bei der
Nashville Symphony's Chamber Music Series, bei Friends of Chamber Music
in Denver und beim Savannah Music Festival auftreten. Außerhalb der USA
treten sie in dieser Saison in Dänemark, Norwegen, Deutschland, den
Niederlanden, Spanien, Belgien, Italien und Griechenland auf.
Das
Danish String Quartet setzt seine ehrgeizige „DOPPELGÄNGER“-Initiative
fort, ein mehrjähriges Auftragsprojekt, das Uraufführungen von vier
Komponisten mit großen Quartetten und Quintetten von Schubert verbindet.
In der Saison 2024/2025 wird das Quartett zusammen mit dem Cellisten
Johannes Rostamo Thomas Adès’ „Wreath for Franz Schubert “ (gepaart mit
Schuberts Streichquintett in C-Dur) in Tanglewood und beim Ottawa
Chamberfest sowie in Amsterdam und Leipzig aufführen. Im Frühjahr 2025
kehren sie in die Carnegie Hall und die Philadelphia Chamber Music
Society sowie nach Flagey in Brüssel, Belgien, zurück, um Bent Sørensens
„DOPPELGÄNGER“-Auftragswerk in Verbindung mit Schuberts G-Dur-Quartett
aufzuführen.
Die letzte CD der fünfteiligen „PRISM“-Reihe des
Quartetts bei ECM wurde im April 2023 unter großem Beifall
veröffentlicht, und die New York Times bezeichnete die Sammlung als
„unverzichtbares Hörerlebnis“. „PRISM“ erforscht die symbiotischen
musikalischen und kontextuellen Beziehungen zwischen Bach-Fugen,
Beethoven-Streichquartetten und Werken von Schostakowitsch, Schnittke,
Bartók, Mendelssohn und Webern. Die Diskographie des Quartetts spiegelt
auch die besondere Vorliebe des Ensembles für skandinavische Komponisten
wider, mit den kompletten Quartetten von Carl Nielsen, Per Nørgård und
Hans Abrahamsen.
Das Quartett hat zahlreiche Auszeichnungen und
Ernennungen erhalten, darunter „Musical America’s 2020 Ensemble of the
Year“, den „Borletti-Buitoni Trust“, „BBC Radio 3 New Generation Artist“
und einen begehrten Platz im „Bowers Program“ (früher CMS Two). Im Jahr
2011 wurde das Quartett mit dem Carl-Nielsen-Preis ausgezeichnet, der
höchsten kulturellen Auszeichnung Dänemarks.
Das Danish Quartet
feierte 2024 sein 20-jähriges Bestehen. Es wurde gegründet, als die
Geiger Frederik Øland und Rune Tonsgaard Sørenson und der Bratschist
Asbjørn Nørgaard noch Teenager waren und von Tim Frederiksen von der
Königlich Dänischen Musikakademie in Kopenhagen betreut wurden. Im Jahr
2008 kamen die drei Dänen mit dem norwegischen Cellisten Fredrik Schøyen
Sjölin zusammen.
www.danishquartet.com