21.02.25
EXILE – Collegium Vocale Gent & Het Collectief
Freitag, 21. Februar 2025, 19 Uhr
„Exile“
New worlds in music
Katalin Károlyi – Mezzosopran
Collegium Vocale Gent
Sopran: Ulrike Barth, Hannah Ely, Aisling Kenny, Malena Napal Porpiglia, Elisabeth Rapp, Charlotte Schoeters
Alt: Sterre Decru, Stephanie Dillon, Sophia Faltas, Laura Kriese, Cécile Pilorger, Julia Spies
Tenor: Malcolm Bennett, Tomas Lajtkep, Randol Rodriguez, Stephan Gähler, Thomas Köll, Carlos Negrin Lopez
Bass: Eric Ander, Roland Faust, Joachim Höchbauer, Philipp Kaven, Julián Millán, Martin Schicketanz
Het Collectief
Wibert Aerts
–
Violine/Viola
Toon Fret
–
Flöte
Julien Hervé
–
Klarinette
Joana Lima – Klarinette
Martijn Vink
–Violoncello
Thomas Dieltjens
–
Klavier
James Wood – Leitung
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Konzertdauer: ca. 35 Min. │ Pause │ ca. 35 min.
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Kurt Weill (1900–1950)
Zu Potsdam unter den Eichen
für Männerchor
(Text: Bertolt Brecht)
Hanns Eisler (1898–1962)
Kantaten aus dem Exil
für Mezzosopran, 2 Klarinetten, Viola und Violoncello
Kriegskantate (Kammerkantate Nr. 5)
(Text:
Ignazio Silone)
Die Römische Kantate (Kammerkantate Nr. 3)
(Text: Ignazio Silone)
1. Das große Rom
2. Der Gestank
3. Woher kommt er?
4. Die Angst
Alexander Zemlinsky (1871–1942)
Aurikelchen
für Frauenchor
(Text: Richard Dehmel)
Stefan Wolpe (1902–1972)
Musik zu Hamlet
für Flöte, Klarinette und Violoncello
Arnold Schönberg (1874–1951)
Drei Satiren
für Chor, Viola, Violoncello und Klavier
1. Am Scheideweg
2. Vielseitigkeit
3. Der neue Klassizismus
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PAUSE
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Béla Bartók (1881–1945)
Contrasts
für Violine, Klarinette und Klavier
I. Verbunkos (Werbertanz). Moderato, ben ritmato
II. Pihenö (Entspannung). Lento
III. Sebes (Schneller Tanz). Allegro vivace
Paul Hindemith (1895–1963)
Six Chansons
für Chor a cappella
(Text: Rainer Maria Rilke)
1. La biche (Das Reh)
2. Un cigne (Ein Schwan)
3. Puisque tout passe (Da alles doch verfliegt)
4. Printemps (Frühling)
5. En hiver (Im Winter)
6. Verger (Obstgarten)
Igor Strawinsky (1882–1971) / Arr. James Wood
Sechs russische Lieder
für Mezzosopran und fünf Instrumente
1. Selezen’ (Der Erpel)
2. Zapevnaya (Abzähl-Lied)
3. Podblyudnaya (Der Sperling)
4. Sektantskaya (Russisches geistliche Lied)
5. Gusi Lebedi (Gänse und Schwäne)
6. Tilimbom
Béla Bartók (1881–1945) / Arr. James Wood
Vier slowakische Volkslieder
für Chor und Ensemble
1. Zadala Mamka (Hochzeitslied aus Poniky)
2. Na holi (Heuerntelied aus Hiadel)
3. Rada pila (Tanzlied aus Medzibrod)
4. Gajdujte, gajdence (Tanzlied aus Poniky)
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EXILE – Neue musikalische Welten
Immigrationsströme hat es immer
gegeben, Menschen verlassen ihre Heimat seit Menschengedenken und das
aus den unterschiedlichsten Gründen: Krieg, Verfolgung, aber auch
Entbehrung oder Klimawandel. In der Zwischenkriegszeit des 20.
Jahrhunderts suchten viele bedeutende Komponisten Zuflucht vor den
Nationalsozialisten. Ihr Ziel waren oft die Vereinigten Staaten, viele
entschieden sich, ein neues Leben in Los Angeles oder New York
aufzubauen. Ihr künstlerisches Schaffen nahm dadurch eine neue Wendung,
ihr Exil veränderte ihren Blick auf sich selbst und die Welt. Die
Volksmusik der verlassenen Heimat wird zu einem Element, das es zu
bewahren gilt; der Pazifismus tritt leidenschaftlich hervor, während
Europa von Faschismus und Kommunismus zerrissen wird. Collegium Vocale
und Het Collectief richten den Fokus auf diese faszinierende, auch
bewegende Thematik und möchten mit diesem Konzert auch einen Blick auf
die individuellen, stets tragischen Geschichten der großen Ströme von
Menschen werfen, die heute ihre Heimat verlassen müssen.
Der
Männerchor eröffnet das Konzert mit „Zu Potsdam unter den Eichen“, einem
Antikriegslied von Kurt Weill mit einem Text von Bertolt Brecht. Das
Lied beschreibt einen Trauerzug für einen anonymen Soldaten, der in
einem Sarg mit der Aufschrift „Jedem Krieger sein Heim“ liegt. Der
Zynismus dieses Spruchs legt die Heuchelei der deutschen Gesellschaft in
der Zeit der Weimarer Republik auf schmerzliche Weise offen. Das Grab
erweist sich letztlich als die einzige, bittere Belohnung für den
Patriotismus des Soldaten.
Mit seinen „Kantaten aus dem Exil“,
einer Reihe von neun Kammerkantaten für Solostimme und vier Instrumente,
macht Hanns Eisler 1937 während seines Exils in Dänemark eine ähnliche
pazifistische Aussage. Als Marxist prangert er nicht nur das Grauen des
Krieges an sich an, sondern vor allem die bedrückende Lage des „kleinen
Mannes“, der am meisten unter den großen Konflikten der Geschichte
leidet. Die Texte stammen vom Romanautor Ignazio Silone, einem
Mitbegründer der italienischen Kommunistischen Partei. Die direkte,
kämpferische Botschaft dieser Texte kommt durch die schlichte Besetzung
und den ökonomischen Kompositionsstil zur Geltung – ein Stil, den Eisler
trotz seiner Ausbildung bei Arnold Schönberg zunehmend pflegte.
Der
Frauenchor kehrt mit „Aurikelchen“ von Alexander Zemlinsky einige
Jahrzehnte zurück ins Wiener Fin de Siècle. Dieses charmante Chorwerk
von 1898, das die Schönheit der Aurikelblume besingt, basiert auf einem
Text von Richard Dehmel, einem in dieser Zeit populären Dichter, der
auch Schönbergs „Verklärte Nacht“ inspirierte. Zemlinsky, der später für
seine Beiträge zur Spätromantik und Frühmoderne bekannt wurde, führte
ein Leben voller Herausforderungen. Seine jüdische Herkunftt zwang ihn
in den 1930er Jahren ins Exil, zunächst nach Prag und später in die
Vereinigten Staaten.
Auch Stefan Wolpe floh 1933 als Jude und
politisch engagierter Künstler vor dem Nationalsozialismus. Nach
Stationen in Wien und Palästina ließ er sich schließlich in den
Vereinigten Staaten nieder, wo er ein einflussreicher Komponist und
Lehrer wurde. Die „Musik zu Hamlet“ schrieb er kurz vor seiner Flucht
als Bühnenmusik für eine Theaterproduktion in Berlin. Wolpes Musik
basiert auf Schönbergs Zwölftontechnik und klingt radikal
expressionistisch. In den USA fühlte sich Wolpe den abstrakten
expressionistischen Malern verbunden und wurde Kompositionslehrer unter
anderem von Morton Feldman.
Arnold Schönbergs „Drei Satiren“ op.
28 sind ein humorvolles und scharfsinniges Werk, das Kritik an der
Musikwelt und den Spannungen zwischen Tradition und Moderne übt.
Schönberg schrieb es im Alter von 51 Jahren auf dem Höhepunkt seiner
Karriere, blieb aber sensibel in Bezug auf sein künstlerisches
Selbstbild. „Ich schrieb dieses Werk, als ich über die Angriffe einiger
meiner jüngeren Zeitgenossen sehr aufgebracht war, und wollte sie
warnen, daß es nicht gut ist, mit mir anzubinden.“ In der Einleitung der
„Drei Satiren“ spricht Schönberg vier Gruppen an: diejenigen, „die ihr
persönliches Heil auf einem Mittelweg suchen“, diejenigen, die sich auf
die Vergangenheit konzentrieren, statt nach vorne zu blicken, die
„Folkloristen“ und schließlich alle „...ismen“, in denen er nur
Manierismus sieht. Der erste Teil, „Am Scheideweg“, reflektiert über die
Wahl zwischen alten und neuen musikalischen Wegen und spielt mit dem
Paradoxon von Freiheit und Dogmen in der Kunst. Im zweiten Teil,
„Vielseitigkeit“, führt Schönberg die Figur „Modernsky“ ein – wohl eine
Anspielung auf Strawinsky –, eine Karikatur des oberflächlichen
Modernisten, der den Moden der Zeit folgt, ohne authentische Tiefe zu
erreichen. Der letzte Teil, „Der neue Klassizismus“, kombiniert vokale
und instrumentale Elemente, um die Ironie des Neoklassizismus
offenzulegen: Während klassische Strukturen gefeiert werden, offenbaren
sie ihre Grenzen in einer sich wandelnden Zeit. In diesen satirischen
Meisterwerken vereint Schönberg eine innovative musikalische Sprache,
voller kompositorischer Raffinesse und Wortwitz, mit intellektueller und
spielerischer Kritik.
Nachdem die Nationalsozialisten 1933 Béla
Bartóks Musik als „entartete Musik“ gebrandmarkt hatten, dauerte es noch
sieben Jahre, bis er in die Vereinigten Staaten floh. Bereits 1938 war
er jedoch auf Konzertreise in den USA und komponierte für diesen Anlass
seine „Contrasts“. Dieses besonders originelle Werk wurde von zwei guten
Freunden in Auftrag gegeben, dem Jazzklarinettisten Benny Goodman und
dem Geiger Joseph Szigeti, mit denen Bartók auch die Uraufführung
spielte. Bartók vereint seinen eigenen modernistischen Kompositionsstil
mit Elementen ungarischer Volksmusik und subtilen Anklängen an den Jazz.
Der Titel macht deutlich, dass Bartók nicht nach einer symbiotischen
Einheit suchte: Wir hören energiegeladene Tanzrhythmen, die sich mit
introspektiven Melodien abwechseln, scharfe Dissonanzen im Kontrast zu
lyrischen Momenten. Doch der größte Gegensatz liegt in der Kombination
von drei äußerst unterschiedlichen Instrumenten, die trotz ihrer
spezifischen Klänge und Ausdrucksmittel eine faszinierende Konversation
führen.
Auch Paul Hindemith landete schließlich in den USA, nach
einigen Jahren im Exil in Vevey, Schweiz. Seine Musik wurde 1936 von den
Nationalsozialisten verboten, doch vor allem die jüdische Herkunft
seiner Frau machte ein Leben in Deutschland unerträglich. Umgeben von
der ruhigen Schönheit des Genfer Sees und der umliegenden Natur
komponierte Hindemith 1939 seine „Six Chansons“ für gemischten Chor.
Hindemith ließ sich von sechs französischen Gedichten Rainer Maria
Rilkes inspirieren. Jedes Stück des Zyklus zeichnet ein poetisches Bild
der Natur und des menschlichen Daseins, von der anmutigen Bewegung eines
Schwans bis zur introspektiven Stille des Winters. Vielleicht suchte
Hindemith in dieser verfeinerten Lyrik nach einem Halt, um den
turbulenten Zeiten zu trotzen.
Igor Strawinsky hielt sich zu
Beginn des Zweiten Weltkriegs in der Schweiz auf und entschied sich
während der Russischen Revolution 1917, nicht in seine Heimat
zurückzukehren. Aus dieser Zeit stammen zwei Liedzyklen mit Klavier:
„Three Tales for Children“ und „Four Russian Songs“. Einige dieser
Lieder fasste Strawinsky in den 1950er Jahren unter dem Titel „Four
Songs“ zusammen, die sehr eigenwillig für Flöte, Harfe und Gitarre
instrumentiert sind. Für diese Produktion erstellte James Wood wiederum
Transkriptionen von sechs dieser Lieder, diesmal begleitet von Flöte,
Klarinette, Violine, Cello und Klavier. Die Texte sind unsinnige
Abzählreime für Kinder, in denen oft Tiere die Hauptrolle spielen, oder
handeln vom Leben auf dem russischen Land. Strawinsky hielt die
Gesangslinien sehr einfach und die Harmonie sehr tonal, machte aber
Metrum und Rhythmus sprunghaft und unvorhersehbar.
James Wood
fertigte außerdem ein zweites Arrangement von Bartóks „Vier slowakischen
Volksliedern“ für gemischten Chor und Klavier an. Dieses Werk aus dem
Jahr 1917 spiegelt Bartóks tiefe Faszination für die Volksmusik
Mitteleuropas wider. Basierend auf authentischen Melodien, die er
während seiner Feldforschung in der Slowakei sammelte, verbindet Bartók
diese traditionellen Themen mit subtilen modernen Harmonien und einem
meisterhaften Chorklang. Jedes der vier Teile erzählt eine Geschichte
aus dem slowakischen Landleben, mit Themen wie Liebe, Verlust, Freude
und Tradition. Trotz der Einfachheit der ursprünglichen Melodien
verwandelt Bartók sie in ein kunstvolles Werk voller Ausdruck und
emotionaler Tiefe. Diese Lieder sind nicht nur eine Hommage an die
Volksmusik, sondern auch ein kraftvolles Beispiel dafür, wie Tradition
und Moderne harmonisch verschmelzen können.
(c) Thomas Dieltjens, Januar 2025
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Collegium Vocale Gent
Das Collegium Vocale Gent wurde 1970 auf Initiative von Philippe Herreweghe gegründet. Das Ensemble war eines der ersten, das neue Ideen zur barocken Aufführungspraxis in der Vokalmusik umsetzte. Sein authentischer, textorientierter und rhetorischer Ansatz gab dem Ensemble den transparenten Klang, mit dem es Weltruhm erlangte und in den großen Konzertsälen und Musikfestivals Europas, der Vereinigten Staaten, Russlands, Südamerikas, Japans, Hongkongs und Australiens auftrat. Seit 2017 veranstaltet das Ensemble sein eigenes Sommerfestival Collegium Vocale Crete Senesi in der Toskana, Italien.
In den vergangenen Jahren hat sich das Collegium Vocale Gent organisch zu einem äußerst flexiblen Ensemble entwickelt, dessen breites Repertoire eine Reihe verschiedener Stilepochen umfasst. Seine größte Stärke ist seine Fähigkeit, für jedes Projekt die ideale Besetzung zusammenzustellen. Musik aus der Renaissance zum Beispiel wird von einer kleinen Gruppe von Solisten aufgeführt. Die deutsche Barockmusik, insbesondere die Vokalwerke von Johann Sebastian Bach, ist eine Spezialität des Ensembles und stellt nach wie vor die Krönung seiner Arbeit dar. Das Collegium Vocale Gent hat sich auch auf das romantische, moderne und zeitgenössische Oratorienrepertoire spezialisiert, das mit einem symphonischen Chor von bis zu 80 Sängern aufgeführt wird.
Neben seinem eigenen Barockorchester arbeitet das Collegium Vocale Gent bei der Durchführung dieser Projekte mit verschiedenen historisch informierten Instrumentalensembles zusammen, darunter das Orchestre des Champs Elysées, das Freiburger Barockorchester und die Akademie für Alte Musik Berlin. Es arbeitet auch mit bedeutenden Symphonieorchestern wie dem Antwerpener Symphonieorchester, dem Königlichen Concertgebouw-Orchester Amsterdam, dem Budapest Festival Orchestra, der Staatskapelle Dresden oder dem Chamber Orchestra of Europe zusammen. Das Ensemble hat mit Ivor Bolton, Marcus Creed, Reinbert de Leeuw, Iván Fischer, René Jacobs, Yannick Nézet-Séguin, Kaspars Putnins, Jos van Immerseel, Paul Van Nevel, James Wood und vielen anderen führenden Dirigenten zusammengearbeitet.
Unter der Leitung von Philippe Herreweghe hat das Collegium Vocale Gent eine beeindruckende Diskografie mit mehr als 100 Aufnahmen aufgebaut, die meisten davon bei den Labels Harmonia Mundi France und Virgin Classics. Im Jahr 2010 gründete Philippe Herreweghe zusammen mit Outhere Music sein eigenes Label φ (phi), um sich volle künstlerische Freiheit für den Aufbau eines reichhaltigen und vielfältigen Katalogs zu verschaffen. Seitdem sind rund 25 neue Aufnahmen mit Vokalmusik von Bach, Beethoven, Brahms, Dvorak, Gesualdo, Haydn oder Victoria erschienen. Zu den jüngsten Einspielungen gehören „Anima dolorosa“, das vierte Buch der Madrigale von Claudio Monteverdi (LPH37), Beethovens Oratorium „Christus am Ölberge“ (LPH039) und „Herz und Mund und Tat und Leben“ von J.S. Bach (LPH041).
Das Collegium Vocale Gent wird von der Flämischen Gemeinschaft, der Stadt Gent und der Nationallotterie Belgiens finanziell unterstützt.
Het Collectief
Die Kammermusikgruppe Het Collectief wurde 1998 in Brüssel gegründet. Ausgehend von einem festen Kern von fünf Musikern hat die Gruppe einen faszinierenden und eigenwilligen Klang geschaffen, der durch eine ungewohnte Mischung von Streichern, Bläsern und Klavier erreicht wird.
In seinem Repertoire kehrt Het Collectief zur Zweiten Wiener Schule, den Wurzeln der Moderne, zurück. Ausgehend von dieser Basis erkundet es wichtiges Repertoire des zwanzigsten Jahrhunderts, darunter auch die neuesten experimentellen Tendenzen. Die Gruppe sorgt außerdem mit gewagten Verbindungen von zeitgenössischem und traditionellem Repertoire sowie mit Bearbeitungen alter Musik für Furore.
Neben den vielen Spielstätten in Belgien bringt Het Collectief seine Produktionen regelmäßig in Konzertsäle im Ausland, u. a. in den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, in der Schweiz, Deutschland, Polen, Österreich, Spanien, Malta, Zypern, Litauen, Lettland, der Ukraine sowie in Südamerika (Peru und Brasilien) und Asien (Hongkong).
Katalin Károlyi
Die in Ungarn geborene Mezzosopranistin Katalin Károlyi begann ihre musikalische Ausbildung auf der Violine, bevor sie bei Noëlle Barker und Julia Hamari Gesang studierte. Später gründete sie mit Rachel Yakar und René Jacobs das Studio Versailles Opéra. Seitdem konzentriert sie sich auf das Repertoire der Barockoper, der Kammermusik und der zeitgenössischen Musik.
Katalin Károlyi sang unter der Leitung von Dirigenten wie Yehudi Menuhin (Jeney: „Funeral Rite“), William Christie (Charpentier: „Médée“, „Les Plaisirs de Versailles“, „La Descente d'Orphée aux Enfers“; Monteverdi: Madrigale; Rameau: „Hippolyte et Aricie“; Landi: „Il sant'Alessio“…), Philippe Herreweghe (Strawinsky-Messe), Laurence Equilbey (Vokalmusik von Debussy, Ravel und Poulenc), Paul van Nevel (Musik des 15. Jahrhunderts), Peter Srottner (Strauss: „Elektra“), Bernard Tétu (deutsche Kammermusik des 19. und 20. Jahrhunderts), Roland Hayrabedian (Strawinsky: „Les Noces“), Reinbert de Leeuw, David Robertson, Thomas Adès, Georges Benjamin, Georges-Elie Octors und Susanna Mälkki (zeitgenössische Musik).
Sie ist bei zahlreichen Festivals aufgetreten, darunter Aix-en-Provence, Ravinia Chicago, Ille-de-France und an der Brooklyn Academy of Music. Darüber hinaus ist sie mit führenden Opernhäusern weltweit aufgetreten, darunter die Opéra National de Paris, das Teatro alla Scala, das Teatro Colon, sowie in Konzerten in der Carnegie Hall, den Wigmore und Barbican Halls in London und der Cité de la Musique in Paris unter der Leitung von Jean-Marie Villegier, Cathie Boyd, André Willms, Charlotte Nessi, Adrian Noble und Christophe Marthaler.
Im Jahr 2000 komponierte György Ligeti für sie und die Amadinda Percussion Group das Stück „Síppal, dobbal, nádihegedűvel“. In der Folgezeit trat sie in zahlreichen Konzerten auf, u. a. mit dem Asko Ensemble, der London Sinfonietta, SŌ Percussion, Tambucco, Contrechamps und bei den Salzburger Festspielen, in der Carnegie Hall New York, beim NDR Hamburg, in der Queen Elizabeth Hall London, bei den BBC Proms in der Royal Albert Hall, im Wiener Konzerthaus, in der Walt Disney Concert Hall Los Angeles und beim Cheltenham Music Festival. Ihr Auftritt mit Amadinda wurde von Teldec Classics aufgenommen und als Teil der laufenden Ligeti-Reihe veröffentlicht.
Für William Christie sang sie „Il Ritorno d’Ulisse in Patria“ an der Opéra Comique Paris, den Wiener Festwochen, der Opéra de Lausanne, der Opéra de Bordeaux, dem Barbican Centre London, der Brooklyn Academy of Music New York und beim Festival d'Aix en Provence. Es folgte eine Doppelvorstellung von Charpentiers „Les Arts Florissants“ und „La Descente d'Orfée aux enfers“ mit Les Arts Florissants in ganz Europa.
Weitere bemerkenswerte Engagements sind Ligetis „Aventures, Nouvelles Aventures“ im Lincoln Center New York und der Opera National de Paris (Bastille), Berios „Folk Songs“ mit Psappha beim City of London Festival und mit der London Sinfonietta in ganz Großbritannien, Reichs „Tehillim“ mit dem RIAS Kammerchor in Berlin, Brown und Harvey mit dem Ensemble Intercontemporain, Jeneys „Halotti szertartás“ mit dem Ungarischen Nationalorchester, Strawinskys „Les Noces“ beim Kultur Ruhr Festival Deutschland, Sciarrinos „Infinito Nero“ für die Almeida Opera und auch mit dem Schoenberg Ensemble, Berios „Calmo“ mit der MusikFabrik, die Weltpremiere von John Woolrichs The Sea and Its Shore für die Almeida Opera und mit der Birmingham Contemporary Music Group und Kyriakides’ „An Ocean of Rain“ für das Theatre Cryptic beim Aldeburgh Festival und in Amsterdam und Rotterdam. Mit der Amadinda Percussion Group und dem Ictus Ensemble gibt sie regelmäßig Konzerte in ganz Europa.
Katalin Károlyi hat mit Les Arts Florissants, der Groupe Vocal de France, Le Parlement de Musique und La Chapelle Royale gesendet und aufgenommen. Sie ist Dozentin an der Fakultät für Musik und Bildende Kunst der Universität Pécs.
James Wood
Als Dirigent, Komponist, Musikwissenschaftler und ehemaliger virtuoser Schlagzeuger hat James Woods facettenreiche Karriere ihn in ein außerordentlich breites Spektrum musikalischer Aktivitäten geführt. Der 1953 geborene Komponist studierte Komposition bei Nadia Boulanger in Paris, bevor er als Orgelschüler nach Cambridge und an die Royal Academy of Music in London ging, um Dirigieren und Schlagzeug zu studieren. In den folgenden zwanzig Jahren verfolgte er eine dreifache Karriere als Komponist, Dirigent und Solo-Schlagzeuger. Nach vier Jahren als Dirigent der Schola Cantorum of Oxford (1977–1981) gründete er 1981 den New London Chamber Choir, der bald in ganz Europa für seine bahnbrechenden Aufführungen und Aufnahmen zeitgenössischer Musik gefeiert wurde und den er 26 Jahre lang leitete, bis er England verließ und sich 2007 in Deutschland niederließ. Während dieser Zeit war er auch Professor für Schlagzeug in Darmstadt (1982–1994), Gründer und Leiter des Centre for Microtonal Music in London und des dazugehörigen Ensembles Critical Band (1990–1994), während er weiterhin als Komponist tätig war.
Seit Mitte der 1990er Jahre konzentriert er sich verstärkt auf Komposition und Dirigieren und arbeitet mit Ensembles wie der MusikFabrik, der London Sinfonietta, dem Ensemble InterContemporain und Champ d'Action zusammen. Als Chordirigent arbeitet er regelmäßig mit den meisten führenden europäischen Kammerchören wie dem RIAS Kammerchor, dem Niederländischen Kammerchor, der Cappella Amsterdam, dem Lettischen Rundfunkchor, dem Helsinki Chamber Choir, dem Collegium Vocale Gent und dem Vocalconsort Berlin zusammen, wobei sein Repertoire vom 15. Jahrhundert bis in die Gegenwart reicht. Er hat eng mit Komponisten wie Kurtág, Xenakis, Ligeti, Kagel, Harvey, Stockhausen und Reich zusammengearbeitet. 2002 bereitete er die Uraufführung von Stockhausens „Engel-Prozessionen“ im Amsterdamer Concertgebouw vor und leitete den Niederländischen Rundfunkchor. Das gleiche Werk dirigierte er 2011 im Rahmen der Gesamtaufführung von „Sonntag aus Licht“ an der Oper Köln mit dem Estonian Philharmonic Choir und der Cappella Amsterdam.
Als Komponist hat er für fast alle Genres geschrieben und ist vor allem für seine Schlagzeugmusik, die Entwicklung und den Bau neuer Instrumente und für seine Arbeit mit Elektronik bekannt. Zweimal wurde er von den Proms in London beauftragt, zunächst 1989 für sein Orchesterwerk „Oreion“, dann 1995 für „Two men meet, each presuming the other to be from a distant planet“. Seine erste Oper, „Hildegard“, wurde 2005/06 mit großem Erfolg in ganz Großbritannien, den Niederlanden und Belgien aufgeführt, und 2013 vollendete er seine zweite Oper, eine Kammeroper auf der Grundlage von „Gullivers Reisen“, im Auftrag des niederländischen Ensembles Insomnio nach einem Libretto von Paul Griffiths. 2015 fand die äußerst erfolgreiche Uraufführung seiner „Lamentations“ durch das Vocalconsort Berlin statt, und dieses Werk wurde im März 2016 bei der Semana de Musica Religiosa Cuenca wiederholt. Derzeit komponiert er ein neues Werk für Kammerchor, Klavier und Schlagzeugquartett für den RIAS Kammerchor. Zu seinen Auszeichnungen gehören der Lili Boulanger Memorial Award (1979), das Gemini Fellowship (1993), das Arts Foundation Fellowship für elektroakustische Komposition (1996) und das Holst Foundation Fellowship (1996).
Als Musikwissenschaftler wurde seine jüngste Fertigstellung von Gesualdos „Sacrae Cantiones Liber secundus“– ein Projekt, das drei Jahre in Anspruch nahm – und seine anschließende Gesamteinspielung der Sammlung mit dem Vocalconsort Berlin für Harmonia Mundi (erschienen im Februar 2013) allgemein als Sensation gefeiert und als „eine der erstaunlichsten Rekonstruktionen unserer Zeit“ (Die Zeit) gefeiert und mit dem renommierten ECHO-Klassik-Preis in der Kategorie „Choraufnahme des Jahres“ ausgezeichnet. Sie erweckt nicht weniger als ein Drittel der geistlichen Musik Gesualdos zum Leben, die in den letzten 400 Jahren unaufführbar war.