22.06.25
Hagen Quartett
Sonntag, 22. Juni, 18 Uhr
Lukas Hagen – Violine
Cibrán Sierra
– Violine
Veronika Hagen – Viola
Clemens Hagen – Violoncello
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Konzertdauer: ca. 25 min │Pause │ca. 40 min
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Joseph Haydn (1732–1809)
Streichquartett g-Moll op. 74, Nr. 3
„Reiterquartett“
I. Allegro
II. Largo assai
III. Menuetto. Allegretto
IV. Finale. Allegro con brio
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PAUSE
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Johannes Brahms (1833–1897)
Streichquartett Nr. 3 B-Dur op. 67
I. Vivace
II. Andante
III. Agitato (Allegretto non troppo)
IV. Poco Allegretto con Variazioni
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Mit dem g-Moll Streichquartett op. 74, Nr. 3 von 1793 setzte Joseph
Haydn ein ungewöhnliches, zwischen Schroffheit und Anmut changierendes
Werk ans Ende seines vorletzten großen, sechs Werke umfassenden
Quartett-Zyklus, der unter den separaten Opuszahlen 71 und 74
veröffentlicht wurde. Seinen wie so oft nicht vom Komponisten stammenden
Namen „Reiterquartett“ verdankt es entweder dem ersten oder dem letzten
Satz, möglicherweise beiden. Das eröffnende Allegro wird geprägt von
einem in Oktaven springenden Unisonomotiv, das keine echte Thematik,
sondern eher eine Geste darstellt, die dann erst im B-Dur-Seitensatz
melodische Form annimmt. Ein Stück weit wirkt diese Unisono-Geste im
Finale nach: Der Reiter – wenn man in diesem Bild bleiben will – stürmt
nun grimmig entschlossen voran, die Bewegungsenergie bleibt beinahe
permanent erhalten, allein das kecke Seitenthema verschafft kleine
Atempausen. In dessen aufgehellter G-Dur-Sphäre endet das Werk dann
auch. Dazwischen setzt Haydn mit dem Largo assai einen seiner innigsten
langsamen Quartettsätze und ein Menuett, dessen Trio-Mittelteil mit
seinen Oktavsprüngen wiederum auf den ersten Satz verweist.
Ähnlich wie mit der Symphonie im „Schatten Beethovens“ hat Johannes Brahms lange mit der ehrwürdigen Gattung Streichquartett gerungen. Viele frühe Versuche soll er vernichtet haben, ehe er mit den zwei Quartetten op. 51 (1873 fertiggestellt) und dem 1875 nachgeschobenen B-Dur-Quartett op. 67 seine Dreiergruppe vorlegte. Der Tonfall, den Brahms in seinem dritten Quartett anschlägt, ist auf den ersten Blick entspannter als in den beiden Vorgängerwerken: Mit dem kecken „Jagdthema“ im 6/8-Takt verweist er im ersten Satz auf Haydn und Mozart, aber auch auf den gelösten Serenadentonfall seines B-Dur-Streichsextetts. Ähnlich volkstümlich wirkt das im 2/4-Takt deutlich abgesetzte zweite Thema, dessen Polka-Gestus allerdings durch die Zurücknahme ins pianissimo ein Stück weit distanziert wirkt. In der Durchführung scheint Brahms sich zunächst auf eher flächige harmonische Rückungen zu beschränken, entwickelt zwischenzeitlich in der Verarbeitung des Polkathemas aber durchaus zupackenden Biss. Mit einer betörenden cantabile-Melodie in der ersten Violine setzt das Andante ein. In barockisierenden Punktierungen und einer rätselhaft im 5/4-Takt mäandernden Passage entfernt Brahms sich im Mittelteil aber von dieser abgeklärten Sanglichkeit, die dann bei ihrer Wiederkehr auch zögerlicher, nachdenklicher wirkt. Ein ganz besonderes Timbre entfaltet das anschließende Agitato, das die Funktion eines Scherzo einnimmt. Dessen Erregtheit ist eine gedämpfte, und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn bis auf die dadurch etwas hervorgehobene Viola spielen die Streicher con sordino, also mit Dämpfern auf ihren Saiten. Dieser gedeckte Klang gibt dem Satz eine schattenhafte, untergründige Gespanntheit, die sich im Trio-Mittelteil etwas lockert und nach der Wiederholung des ersten Teils in einer traumverlorenen Coda auflöst. Ans Ende des B-Dur-Quartetts setzt Brahms einen Variationensatz über ein 2/4-Thema, das den „Volkston“ des ersten Satzes wieder aufgreift und im Bratschen-Solo der ersten Variation auf die Konstellation des Agitato zurückblickt. Nachdem sich die folgenden Variationen weit von der Grundtonart entfernen, ist nach der in zarteste Höhen sich aufschwingenden sechsten Variation wieder B-Dur erreicht. Doch nun überrascht uns Brahms – auch wenn er uns mit dem Charakter des Variationsthemas schon ein wenig darauf vorbereitet hat – mit einem Rückgriff auf das „Jagdthema“ des ersten Satzes, das sich erstaunlich organisch einfügt. Mit der achten Variation, die auf die Überleitungsfigur zum zweiten Thema des ersten Satzes zurückgreift, treibt Brahms den zyklischen Gedanken noch ein Stück weiter und schließt sein Werk und damit sein Quartettschaffen selbstbewusst und aufgeräumt ab.
Dr. Juan Martin Koch (c) Kulturwald gGmbH
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Hagen Quartett
Nach Konzerten der "vier Salzburger Weltklasse-Streicher" (Hamburger Abendblatt) herrscht "fast minutenlang absolute Stille, im Bewusstsein, etwas Außergewöhnliches erlebt zu haben". So beschreibt es die Presse. Den Zuhörern bleibt "nur der Wunsch: Möge es nie enden".
Das Hagen Quartett setzt in der Saison 2024/25 einen Schwerpunkt auf die Streichquartette von Haydn, Schumann, Janáček und Brahms. Aber auch Quintette von Mozart und Brahms mit Sabine Meyer und mit Jörg Widmann sowie von Schubert mit Julia Hagen und mit Gautier Capuçon stehen auf den Programmen. Die Tourneen 2024/25 führen das Hagen Quartett nach Frankreich, Norwegen, Deutschland, Italien, Niederlande, Schweiz, England und in die USA. Neben dem Zyklus im Wiener Konzerthaus spielt das Hagen Quartett u.a. im Pierre Boulez Saal Berlin, in der der Wigmore Hall London und im Concertgebouw Amsterdam.
Die beispiellose, bereits vier Jahrzehnte andauernde Karriere des Hagen Quartetts begann 1981. Die ersten Jahre waren geprägt von Wettbewerbserfolgen und einem Exklusivvertrag mit der Deutschen Grammophon. Im Laufe der jahrzehntelangen Zusammenarbeit entstanden zahlreiche Aufnahmen zur Erkundung des schier unendlichen Quartett-Repertoires, aus denen sich das unverwechselbare Profil des Hagen Quartetts entwickelte. Auch die nachfolgenden Aufnahmen beim Label myrios classics wurden von der internationalen Kritik gelobt und mit bedeutenden Preisen ausgezeichnet. Soeben ist eine Aufnahme mit Jörg Widmann und Klarinettenquintetten von Widmann und Mozart erschienen. Das Hagen Quartett ist seit 2012 Ehrenmitglied des Konzerthauses Wien und erhielt 2019 den Concertgebouw Amsterdam Prijs für sein langjähriges künstlerisches Wirken.
Das Repertoire des Quartetts besteht aus reizvollen und intelligent kombinierten Programmen, die die gesamte Geschichte des Streichquartetts umspannen. Darüber hinaus widmet sich das Hagen Quartett den Uraufführungen von Komponisten seiner Generation. Die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Nikolaus Harnoncourt und György Kurtág war und ist dem Hagen Quartett ebenso wichtig wie gemeinsame Konzertauftritte mit Maurizio Pollini, Mitsuko Uchida, Krystian Zimerman, Heinrich Schiff, Jörg Widmann, Kirill Gerstein, Sol Gabetta und Gautier Capuçon.
Für viele junge Streichquartette ist das Hagen Quartett ein Vorbild in Bezug auf Klangqualität, stilistische Vielfalt, Zusammenspiel und ernsthafte Auseinandersetzung mit den Werken und Komponisten ihrer Gattung. Als Lehrer und Mentoren am Salzburger Mozarteum, an der Hochschule Basel und bei internationalen Meisterkursen geben sie diesen Erfahrungsschatz an ihre jüngeren Kollegen weiter.
Das Hagen Quartett spielt auf alten italienischen Meisterinstrumenten.