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17.05.25

J. S. Bach-Stiftung & Marie Luise Werneburg

Samstag, 17. Mai 2025, 20 Uhr

Marie Luise Werneburg – Sopran
Rudolf Lutz - Cembalo & musikalische Leitung

Ensemble der J. S. Bach-Stiftung St. Gallen
Éva Borhi – Konzertmeisterin & Violine 1
Judith von der Goltz – Violine 2 
Martina Bischof – Viola 
Maya Amrein – Violoncello 
Markus Bernhard – Violone 
Tomoko Mukoyama – Traversflöte 
Andreas Helm – Oboe 
Nicola Cumer – Orgel 

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Konzertdauer: ca. 40 Min. │ Pause │ ca. 45 min.
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Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Orchestersuite Nr. 2 h-Moll BWV 1067
I. Ouverture
II. Rondeau
III. Sarabande
IV. Bourrée I – Bourrée II
V. Polonaise. Lentement – Double
VI. Menuet
VII. Badinerie

Kantate „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“ BWV 84
1. Aria „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“
2. Recitativo „Gott ist mir ja nichts schuldig“
3. Aria „Ich ess mir Freuden mein weniges Brot“
4. Recitativo „Im Schweiße meines Angesichts“
5. Choral „Ich leb’ indessen in dir vergnüget“

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PAUSE
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Oboenkonzert A-Dur 
nach dem Cembalokonzert BWV 1055
I. Allegro
II. Larghetto
III. Allegro man non tanto

Kantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ BWV 210
1. Recitativo „O holder Tag, erwünschte Zeit“
2. Aria „Spielet, ihr beseelten Lieder“
3. Recitativo „Doch, haltet ein, ihr muntern Saiten“
4. Aria „Ruhet hie, matte Töne“
5. Recitativo „So glaubt man denn, dass die Musik verführe“
6. Aria „Schweigt, ihr Flöten, schweigt“
7. Recitativo „Was Luft? Was Grab?“
8. Aria „Großer Gönner, dein Vergnügen“
9. Recitativo „Hochteurer Mann, so fahre ferner fort“
10. Aria „Seid beglückt, edle Beide“

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Neben seinen Verpflichtungen als komponierender und ausübender Kirchenmusiker war Johann Sebastian Bach im Laufe seines Arbeitslebens viele Jahre lang auch für größer besetzte Instrumentalmusik verantwortlich: am Fürstenhof in Köthen (1717 bis 1723) und als Leiter des Collegium musicum in Leipzig (1729 bis mindestens 1741). Von den vielen Werken, die im Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten entstanden sein müssen, sind jedoch nur wenige überliefert.

Im Gegensatz zu den Brandenburgischen Konzerten handelt es sich bei den vier großen Orchestersuiten nicht um einen geschlossenen Werkkomplex, zwei von ihnen dürften bereits in Köthen entstanden sein, die anderen beiden, darunter die Suite h-Moll BWV 1067, wahrscheinlich in Leipzig. Ihre Besonderheit besteht darin, dass sie mit nur einem Blasinstrument, der Traversflöte besetzt ist. Diese färbt den Streichersatz nicht nur charakteristisch ein, sondern erhält in vielen Sätzen solistische Funktionen: im raschen Mittelteil der Ouvertüre, in einer kurzen Passage am Ende des Rondeaus, in der zweiten Bourrée, im Double der Polonaise und schließlich in der berühmten Badinerie. Nach den beiden eher getragenen Sätze zuvor wirkt dieser ausgelassene „Spaß“ um so überraschender – ein ikonisches Stück Barockmusik.

Die Kantate für Solosopran „Ich bin vergnügt mit meinem Glücke“ BWV 84 schrieb Bach zum Sonntag Septuagesima, den 9. Februar 1727. Der Text, der auf eine Vorlage Picanders (Christian Friedrich Henrici) zurückgeht und sich lose auf das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg aus dem Matthäusevangelium bezieht, kreist um das Thema einer gottgefälligen Genügsamkeit. „So dank ich ihm vor kleine Gaben / Und bin auch nicht derselben wert“, heißt es im Mittelteil der ersten Arie, die in punktiert sich wiegendem Dreiertakt von der Oboe umspielt wird. Im Kontrast dazu werden in der zweiten Arie die Freuden, mit denen das „wenige Brot“ gegessen wird, in einer flüssigen 3/8-Bewegung besungen. Diese löst sich in Sechzehntelfigurationen auf, die im verschlungenen Wechsel zwischen Oboe und Violine aufgeteilt sind. Der Schlusschoral basiert auf der bekannten Melodie des knapp hundert Jahre älteren Kirchenlieds „Wer nur den lieben Gott lässt walten“.

Ein Blick in Bachs Komponierwerkstatt zeigt uns, wie er den eingangs erwähnten Bedarf an neuen Stücken für größere Instrumentalbesetzungen in einigen Fällen abdeckte. So sind die meisten seiner Cembalokonzerte Umarbeitungen früherer, ursprünglich für ein Melodieinstrument geschriebener Werke. Im Fall des A-Dur-Konzerts BWV 1055 geht man von einer Originalversion als Oboenkonzert aus, dessen Rekonstruktion wir heute hören. Das festlich gelöste Allegro mit seinen durchgehend präsenten Anapäst-Bewegungsimpulsen (kurz-kurz-lang) und das schwingende Dreiermetrum des finalen Allegro ma non tanto bilden den Rahmen für den innigen Lamento-Tonfall des in Moll stehenden Larghetto-Mittelsatzes.

Die Hochzeitskantate „O holder Tag, erwünschte Zeit“ BWV 210 ist ein sprechendes Beispiel dafür, wie bei Bach durch eine sorgfältig Umtextierung früherer Stücke und neue Rezitative eigenständige Werke entstanden. Anlässlich der Hochzeit des befreundeten Hofrats Dr. Georg Ernst Stahl jun. mit Johanna Elisabeth Schrader am 19. September 1741 in Berlin arbeitete Bach seine Huldigungskantate „O! Angenehme Melodei“ von 1729 um und verwandelte sie in ein Stück Musik über Musik. Denn der Text wirft – durchsetzt mit Anspielungen an den Gönner und Widmungsträger – die Frage auf, welche Klänge ein Eheleben am besten begleiten könne. Nachdem im eröffnenden Rezitativ und in der ersten Arie zunächst nur das freudige Ereignis und eine Musik besungen wird, die mit „beseelten Liedern“ bis zur Ohnmacht entzückt, dann aber wieder stärkt und Erholung bringt, gebieten die beiden nächsten Nummern Einhalt: Passen eheliche Frömmigkeit und Musik überhaupt zusammen? Sollten „matte Töne“ nicht besser schweigen? Die Antwort folgt sogleich: Solange es die richtige Musik ist, besteht da kein Widerspruch, doch „Klagelieder“, von der Flöte vorgetragen, haben hier keinen Platz. Die abschließenden Nummern wenden die Betrachtungen ins Positive: „Die Liebe kann vergnügte Saiten gar wohl vor ihrem Throne leiden“, lautet nun die Devise. Der Gönner und Ehemann wird als besonderer Musikliebhaber und mit einer Anspielung auf seinen Namen direkt angesprochen („dein Ruhm wird wie ein Demantstein, ja wie ein fester Stahl beständig sein“), ehe abschließend das Hochzeitspaar besungen wird. Abwechslung bringt Bach in diese in der Sopranstimme mitunter hochvirtuos geführte Solokantate durch immer neue Satzcharaktere in den Arien und die verschiedenen Funktionen der Soloinstrumente: Färbt die dem Anlass gemäße „Liebesoboe“ (Oboe d’amore) in der ersten Arie den Satz lediglich, so werden Oboe und Violine in der zweiten Arie selbstständig geführt. In der dritten Arie durchbrechen die Singstimme und die im Text eigentlich zum Schweigen verurteile Flöte die seufzenden Klagemotive mit lebendigen, himmelstürmenden Figurationen. Ihr großes Solo bekommt die Oboe in der vierten Arie, ehe beide Holzbläser der festlich-hymnischen Schlussarie „Seid beglückt, edle Beide“ instrumentalen Hochzeitsglanz verleihen.

Dr. Juan Martin Koch (c) Kulturwald gGmbH 2025

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Marie Luise Werneburg

Aufgewachsen in einem musikalischen Pfarrhaus in Dresden, nahm Marie Luise Werneburg zunächst ein Kirchenmusikstudium in ihrer Heimatstadt auf, bevor sie in Bremen ein Gesangsstudium absolvierte.

Als Solistin – vor allem mit Musik der Renaissance, des Barock und des 21. Jahrhunderts – konzertiert sie weltweit u.a. mit dem Ensemble Weser Renaissance Bremen, der J. S. Bach-Stiftung St. Gallen, der Akademie für Alte Musik Berlin, Nederlandse Bachvereniging, der Lautten Compagney Berlin und dem Vocal Consort Tokyo.

Sie tritt beim Festival Oude Muziek Utrecht, der styriarte Graz, bei den Händel-Festspielen Halle, der Bachwoche Ansbach, dem Montreal Bach Festival und dem Bachfest Leipzig auf. Zahlreiche Rundfunk- und CD-Aufnahmen dokumentieren ihr künstlerisches Schaffen, z.B. „Himlische Weynacht“ mit Bell’Arte Salzburg, Solokantaten von C. Graupner mit R. Lutz und die Schütz-Gesamteinspielung mit dem Dresdner Kammerchor unter H.-Ch. Rademann. Im April 2019 erschien ihr Solodebüt „Diaphenia“ mit Vertonungen elisabethanischer Liebesgedichte beim Label querstand in Kooperation mit dem Deutschlandfunk Kultur.

Die Sopranistin lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Berlin, wo sie an der Hochschule für Musik Hanns Eisler lehrt. Sie liebt die Poesie von R. M. Rilke, die Designs von W. Morris und Geruch und Haptik von bedrucktem Papier.

Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung St. Gallen

Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung wurden 2006 von Rudolf Lutz gegründet, um das gesamte Vokalwerk von J. S. Bach gemäß Auftrag der J. S. Bach-Stiftung aufzuführen und zu dokumentieren. Das Ensemble besteht aus Berufsmusikerinnen und -musikern, die in der historischen Aufführungspraxis zu Hause sind und diese undogmatisch in den Dienst einer modernen, vitalen Interpretation stellen.

Das Orchester verfügt über zwei verschiedene Stammbesetzungen, die je nach Erfordernis der Werke ergänzt werden. Dessen Konzertmeisterinnen sind Renate Steinmann und Éva Borhi. Der Chor wird von einer flexiblen Besetzung von bis zu vierzig Personen gebildet, wobei einzelne Sängerinnen und Sänger auch immer wieder die Chance bekommen, solistische Aufgaben zu übernehmen. Seit seiner Gründung erarbeitet das Ensemble im Monatsrhythmus das gesamte Vokalwerk von Bach. Diese kontinuierliche Arbeit unter der Leitung von Rudolf Lutz hat das Ensemble zusammenwachsen und reifen lassen. Chor & Orchester der J. S. Bach-Stiftung sind mittlerweile ein national und international gefragtes Ensemble und treten in wichtigen Bach-Stätten und Konzerthäusern Europas auf.

Rudolf Lutz

Rudolf Lutz (St. Gallen, *1951) ist ein Musiker singulärer Befähigungen als Pianist, Organist, Cembalist, Komponist, Dirigent und Improvisator. Nach langjähriger Tätigkeit als Improvisationsdozent an der Schola Cantorum Basiliensis und als Organist in der Stadtkirche St. Laurenzen in St. Gallen widmet sich Rudolf Lutz heute internationalen Konzertengagements und Meisterkursen in Europa, Amerika und Asien. Seine interdisziplinäre Erfahrung machte ihn zum prädestinierten musikalischen Leiter der Gesamtaufführung von Bachs Vokalwerk, des gigantischen Projekts der J. S. Bach-Stiftung. Für sein Lebenswerk wurde Rudolf Lutz u.a. mit dem Kulturpreis des Kantons St. Gallen (2006) und mit dem STAB-Preis der Stiftung für Abendländische Ethik und Kultur (2015) sowie dem Schweizer Musikpreis (2019) geehrt. Seit 2016 ist Rudolf Lutz Mitglied des Direktoriums der Neuen Bach-Gesellschaft e. V. Leipzig. Im April 2021 wurde Lutz die Ehrendoktorwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verliehen.