15.05.25
Patricia Kopatchinskaya & Camerata Bern – Time & Eternity
Donnerstag, 15. Mai 2025, 19 Uhr
Patricia Kopatchinskaja - Konzept, Leitung und Violine
Markus Güdel - Lichtdesign
Wieslaw Pipczynski - Akkordeon
Beata Würsten, Sarah Würsten, Monika Würsten - Gesang
Camerata Bern
Violine 1: Lily Higson-Spence, Hyunjong Reents-Kang, Gil Sisquella Oncins, Constant Clermont
Violine 2: Vlad Popescu, Sibylla Leuenberger, Christina Merblum Bollschweiler, Andrea García
Viola: Marko Milenkovic, Friedemann Jähnig, Justin Caulley, Alberto Rodriguez
Violoncello: Thomas Kaufmann, Gabriel Wernly, Nikolai Gimaletdinov, Stephanie Meyer
Kontrabass: Käthi Steuri, Ivan Nestic
Pauke: Pascal Viglino
International Tour Management: HarrisonParrott
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Konzertdauer: ca. 40 Min. │ Pause │ ca. 40 min.
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John Zorn (*1953)
Kol Nidre
Elijahu Hanawi (Elias der Prophet)
(traditionell)
Karl Amadeus Hartmann (1905–1963)
Concerto funebre für Violine und Streicher
I. Introduction (Largo)
II. Adagio
III. Allegro di molto
IV. Choral (Langsamer Marsch)
„Unsterbliche Opfer“ & War Cadenza (Improvisation)
arrangiert von Wieslaw Pipczynski
Tadeusz Sygietynski (1896–1955)
Dwa serduszka (Zwei Herzen)
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PAUSE
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Guillaume de Machaut (~1300–1377)
Kyrie aus der Messe de Nostre-Dame
Frank Martin (1890–1974)
Polyptyque für Violine und zwei kleine Streichorchester
I. Image des Rameaux
Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Ach großer König
Choral aus der Johannes-Passion BWV 245
Frank Martin
II. Image de la Chambre haute
aus Polyptyque
Johann Sebastian Bach
Als Jesus Christus in der Nacht
Choral BWV 265
Frank Martin
III. Image de Juda
aus Polyptyque
Johann Sebastian Bach
Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn
Choral aus der Johannes-Passion BWV 245
Frank Martin
IV. Image de Gethsémané
aus Polyptyque
Johann Sebastian Bach
Wer hat dich so geschlagen
Choral aus der Johannes-Passion BWV 245
Frank Martin
V. Image du Jugement
aus Polyptyque
Luboš Fišer (1935–1999)
Crux für Violine, Pauken und Glocken
Frank Martin
VI. Image de la Glorification
aus Polyptyque
Johann Sebastian Bach
O große Lieb’
Choral aus der Johannes-Passion BWV 245
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Kol Nidre
Mögen alle Wünsche, die persönlichen und gemeinschaftlichen Verbote, die Schwüre,
die wir geleistet, und Ähnliches, das wir formuliert haben werden…
Mögen sie null und nichtig sein, da wir nicht sicher sind, sie halten zu können…
Unsere Verpflichtungen sind keine Verpflichtungen mehr, unsere Schwüre sind keine Schwüre mehr.
Elijahu Hanawi
Elias der Prophet
Elias der Toschaviter
Elias der Giladiter
rasch komme er zu uns mit
dem Gesalbten, dem Sohne David.
Unsterbliche Opfer
Unsterbliche Opfer ihr sanket dahin
wir stehen und weinen voll Schmerz Herz und Sinn
Ihr kämpftet und starbet für kommendes Recht
wir aber wir trauern der Zukunft Geschlecht
Einst aber wenn Freiheit den Menschen erstand
und all euer Sehnen Erfüllung fand
Dann werden wir künden wie ihr einst gelebt
zum Höchsten der Menschheit empor nur gestrebt.
Dwa serduszka
Zwei Herzen vier Augen
Die Tag und Nacht weinten
Dunkle Augen die weinen und denen du nicht begegnen kannst
denen du nicht begegnen kannst
oh oh oh
Meine Mutter mahnte mich,
Den Jungen nicht zu lieben
Für die Älteren ist Liebe wichtig, für die Jugend ist Liebe verboten.
Für die Jugend ist Liebe verboten
oh oh oh
Wer wäre stark genug (ihn zurückzuweisen)
Wenn der Junge gut aussieht und angenehm ist
Man hätte ein Herz aus Stein, würde man ihn nicht lieben
ihn nicht lieben
oh oh oh
Meine Mutter mahnte mich,
Den Jungen nicht zu lieben
doch ich will ihn fest halten, ich will ihn lieben bis zu meinem Tod
Ich will ihn lieben bis zu meinem Tod
oh oh oh
Choral „Ach, großer König“
Ach, großer König, groß zu allen Zeiten,
wie kann ich gnugsam diese Treu ausbreiten,
keins Menschen Herze mag indes ausdenken,
was dir zu schenken.
Ich kann's mit meinen Sinnen nicht erreichen,
womit doch dein Erbarmen zu vergleichen,
wie kann ich dir denn deine Liebestaten
im Werk erstatten?
Choral „Als Jesus Christus in der Nacht“
Als Jesus Christus in der Nacht,
Darin er ward verrathen,
Auf unser Heil war ganz bedacht,
Dasselb' uns zu erstatten.
Da nahm er in die Hand das Brot,
Und brach's mit seinen Fingern,
Sah auf gen Himmel, dankte Gott,
Und sprach zu seinen Jüngern:
Nehmt hin und esst, das ist mein Leib,
Der für euch wird gegeben,
Und denket, dass ich euer bleib'
Im Tod und auch im Leben.
Choral „Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn“
Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn,
muß uns die Freiheit kommen,
dein Kerker ist der Gnadenthron,
die Freistatt aller Frommen;
denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,
müßt unsre Knechtschaft ewig sein.
Choral „ Wer hat dich so geschlagen“
Wer hat dich so geschlagen,
mein Heil, und dich mit Plagen
so übel zugericht',
du bist ja nicht ein Sünder
wie wir und unsre Kinder,
von Missetaten weißt du nicht.
Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden
des Sandes an dem Meer,
die haben dir erreget
das Elend, das dich schläget,
und das betrübte Marterheer.
Choral „O große Lieb“
O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße,
die dich gebracht auf diese Marterstraße,
ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden,
und du mußt leiden.
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„Musik der Trauer“ hat Karl Amadeus Hartmann sein Konzert für Violine und Streichorchester zunächst genannt, als er es von Sommer bis Herbst 1939 komponierte. Es entstand in der inneren Emigration, unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft. Ursprünglicher Auslöser war die von den Nazis 1938 provozierte Sudetenkrise gewesen, der im März 1939 der Einmarsch in Prag folgte. Später, im Zuge der Umarbeitung 1959, wählte Hartmann den italienischen Titel „Concerto funebre“ (Trauer-Konzert). Um dieses Bekenntniswerk herum hat Patricia Kopatchinskaja das Programm „Time & Eternity“ (Zeit und Ewigkeit) konzipiert. Unterstützt von Markus Güdels Lichtdesign stellt sie Hartmanns Konzert in einen Kontext, der über ästhetische und musikhistorische Bezüge weit hinausgeht und den Opfern dieser dunklen Zeit eine Stimme verleiht, was die Geigerin so in Worte fasst: „Diese Musik ist aus dem Blut und den Tränen gequälter Seelen entstanden: einem unterdrückten Schrei, murmelnden Stimmen in der Stille größter Angst, Kriegslärm in einer improvisierten Kadenz … Sie handelt von uns, unserer Vergangenheit und unserer Zukunft.“
So beginnt das Konzert mit John Zorns Bearbeitung der jüdischen Gebetsformel „Kol Nidre“. Die zerbrechlichen Flageoletts der hohen Streicher beleuchten die berühmte Melodie wie flackernde Kerzen, ehe der instrumentale Gesang sich immer weiter intensiviert.
Das Violinkonzert wird anschließend umrahmt von zwei Liedern, die Hartmann in seinem Werk zitiert: „Elijahu Hanawi“ (Elias der Prophet) ein jüdisches Lied, taucht gegen Ende des letzten Satzes fragmentarisch auf. Dieser wird ansonsten von einer anderen, trauermarschartigen Melodie geprägt, dem russischen Begräbnislied für die Opfer der Revolution von 1905, deren Text Hermann Scherchen unter dem Titel „Unsterbliche Opfer“ nachgedichtet und die später auch Dmitri Schostakowitsch in seiner 11. Sinfonie verwendet hat.
Seinen Charakter als Ausnahmewerk entfaltet Karl Amadeus Hartmanns „Concerto funebre“ von Beginn an, wenn nach einem energischen Impuls des Streichorchesters die Violine flüsternd den Choral „Die ihr Gottes Streiter seid“ anstimmt. Mit diesem Kampflied der Hussiten spielt Hartmann ganz direkt auf den Überfall auf die Tschechoslowakei an. Diese Largo-Einleitung führt unmittelbar in den zweiten Satz, ein zwischen emotionalen Ausbrüchen und stiller Resignation changierendes Adagio, das im geigerischen Tonfall an Alban Bergs Violinkonzert (1935) und in der freitonalen Harmonik an Paul Hindemiths Trauermusik für Viola und Streichorchester (1936) erinnert. Als größtmöglicher Kontrast bricht das anschließende Allegro di molto in Wut und Verzweiflung aus. Die in hämmernden Rhythmen und Tonwiederholungen sich aufstauende Energie entlädt sich in einer Solokadenz, die sanft verklingt, ehe der als „Choral (Langsamer Marsch)“ bezeichnete vierte Satz mit dem Zitat „Unsterbliche Opfer“ anhebt. Der Klagegesang, den die Solovioline in diesem Umfeld anstimmt, formuliert bei aller Trauer die Hoffnung, dass Musik als „Gegenaktion“ – neben „Bekenntnis“ ein weiterer Schlüsselbegriff im Schaffen Hartmanns – nie verstummen wird. Ein trotziger, dissonant aufgerauter Dur-Akkord im fortissimo unterstreicht als Schlussgeste diese Haltung.
Nachdem der erste Programmteil mit dem polnischen Volkslied „Zwei Herzen“ ausklingt, wechselt der zweite die Perspektive hin zu einem christlichen Blickwinkel. Im Mittelpunkt steht hier Frank Martins „Polyptique“ für Violine und zwei kleine Streichorchester von 1973. Der jüdische Geiger Yehudi Menuhin hatte das Werk bei Martin zum 25. Geburtstag des Internationalen Musikrates in Auftrag gegeben, dessen Präsident er zu dieser Zeit war. Der Komponist ließ sich dafür durch Bilder des italienischen Malers Duccio di Buoninsegna inspirieren, die auf der Rückseite des Altarbildes im Dom zu Siena (1308–1311) Szenen aus der Passionsgeschichte zeigen. Zwischen den beiden nach Vorbild von Bachs doppelchöriger Matthäuspassion aufgeteilten Streichergruppen steht die Violine, mal als Protagonistin des Geschehens, mal als reflektierendes Individuum.
Frank Martin schwebte dabei keine musikalische Darstellung im konkreten Sinne vor: „Die verschiedenen Szenen, die ich heraufbeschwören wollte, konnte ich mir daher nur im Geiste vorstellen, so lebendig, wie es mir möglich war. Danach versuchte ich, die Gefühle, die diese Szenen in mir weckten, in Musik umzusetzen.“ Die sechs Einzelsätze kommentierte er wie folgt:
„So stellte ich mir im Bild der Palmzweige („Image des Rameaux“) eine lärmende Menschenmenge vor, die dem Einzug des Herrn in Jerusalem entgegeneilt, ihn umringt und bejubelt; ich spürte auch die Gegenwart Christi, dessen höheres Bewusstsein sich über diesen Tumult erhebt und weiß, wie menschlich und zerbrechlich diese momentane Herrlichkeit ist, und ich vertraute der Solovioline den Ausdruck dafür an. Im Bild der Hohen Kammer („Image de la Chambre haute“) sehen wir, wie Christus sich von seinen Jüngern verabschiedet, sehen die verzweifelten Fragen, die sie ihm stellen, und seine liebevollen Antworten. Das Bild des Judas („Image de Juda“) zeigt einen Menschen voller Angst, der im Herzen gequält wird; es ist vor allem das Bild einer Seele, die von einer Besessenheit ergriffen wird und schließlich in Verzweiflung zusammenbricht. Das Bild von Gethsemane („Image de Géthsémané“) zeigt die Angst vor der Einsamkeit, das intensive Gebet „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen“ und schließlich die totale Akzeptanz: „Dein Wille geschehe“. Das Bild der Verurteilung („Image du Jugement“) zeigt das volle Entsetzen der von allen Hemmungen befreiten Menge, ihre sadistische Freude an der Betrachtung des Leidens; und somit ist es der Weg des Kreuzes. Als ich an diesem Punkt angelangt war, hatte ich das Gefühl, dass es kein anderes Ende als das Bild der Verherrlichung geben konnte.“
Mit einer Bearbeitung des Kyrie aus Guillaume de Machauts „Messe de Nostre-Dame“ stellt Patricia Kopatchinskaja dem Polyptychon ein Werk aus der Entstehungszeit des Artalbildes voran; zwischen den Sätzen erklingen Bach-Choräle, deren Texte auf diese Szenen Bezug nehmen. Die Kreuzigung, die Frank Martin nur indirekt thematisiert, kommt in Form eines weiteren eingeschobenen Werkes zum Ausdruck: Luboš Fišers „Crux“ für Violine, Pauken und Glocken ist ein intensiver Aufschrei, dem Pauken und am Ende Glocken eine rituelle Strenge verleihen. Danach kann Frank Martins inwendig leuchtende Verherrlichung der Auferstehung Christi, der letzte Satz des „Polyptyque“, um so heller strahlen.
Zum Abschluss dieses Konzert-Gesamtkunstwerks versammeln sich Künstler und Publikum, um gemeinsam Bachs Choral „O große Lieb’, o Lieb’ ohn’ alle Maße“ aus der Johannespassion anzustimmen. Musik des Trostes und der Hoffnung, die bleibt.
Dr. Juan Martin Koch (c) Kulturwald gGmbH 2025
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Patricia Kopatchinskaja
„… Am Anfang war der Rhythmus, wird gesagt. Nur, wo fängt der Rhythmus an - in der Regelmäßigkeit? Ist Chaos unregelmäßig? Wenn man in einem Dorf in Moldawien an einem sommerlichen morgen aufwacht, hört man durcheinanderzwitschernde Vögel, geschäftliche Hahnenschreie, summende Mücken, verschlafenes Bellen der Hunde, müdes Knirschen der alten Türen oder vielleicht übertönen das alles die schweren runden Tropfen eines moldawischen Regens. Und der rote Staub tanzt dazwischen in eigenem Schatten und Licht. Wo ist da der Rhythmus? Woher haben wir abendländische Menschen die Idee von einer sterilen, metronomischen Musik, die immer gleicher und immer perfekter tickt, ohne Agogik und Überraschungen? Höflichkeit und Regeln, die Herrscher über Freiheit und Wahrhaftigkeit.
Für solche entwurzelte Musiker wie mich gibt es eine Heimat nur noch in Erinnerung und Träumen als eine große fruchtbare Wunde. Wie eine kraftspendende Pflanze blüht und blutet es. Nostalgie, Melancholie und Unwiederkehrbarkeit empfindet man nach der Entwurzelung sein ganzes Leben.
Das Rauschen der Herbstblätter, ein Windhauch, das immer näher kommende warme Summen der Großmutter aus dem Jenseits, die tief-schwarze, immer schwangere moldawische Erde mit Ihren Wein- und Sonnenblumenfeldern, das fast hörbare Wachsen der unglaublich schmackhaften Tomaten im Garten, das gedämpfte geheimnisvolle Licht durch die Fenstervorhänge.
Auch schrille Klänge, Schmerz der Verluste und das Nie-Wieder-Finden hier in der zivilisierten Welt, mit voll geplantem Alltag, pünktlichen Vehikeln, satellitengesteuerten Uhren, gesäuberten Straßen und eleganten Menschen mit strahlenden Zähnen und Zukunftsvorsorgen.
Wo ist meine Heimat? Wo ist der ausgetrocknete Fluss Namens Räut, in dem meine Mutter mit Ihren Brüdern in Ihrer Kindheit noch schwimmen und fischen konnten? Aus den Karpfen und riesigen Hechten, die halb so groß waren wie die Kinder selbst, kochte meine Großmutter köstliche Speisen. Auch der aus dem Zirkus entlaufende Straßenhund an der Leine im Hof bekam seine Portion, ja so groß waren diese Fische, von denen die Menschen rund um den Fluss sich lange ernähren konnten. Bis er fast ausgetrocknet war.
Die lebensfrohen Menschen im Dorf, wo ich aufgewachsen bin, die Kirche mit orthodoxen Gesängen, der mystische Geruch des Weihrauchs, Parlando-rubato des Priesters im goldenen Gewand, der alle Kinder im Dorf und mich getauft hat.
Es ist alles vielleicht noch da und doch ist es für immer verloren.
Diese Splitter, Bilder, Emotionen, die Unfassbarkeit der Vergangenheit finden sich in meiner Wahrnehmung nur noch in musikalischen Formen: in herzzerreißenden Bartók-Pizzicati und zerbrechlichen Flageoletts, an der Kante zur Verstummung, da, wo der Klang in dieser Welt aufhört und nur noch das verlorene Echo unser selbst bleibt – in der Stille, im Nichtgesagten – nur Geahntem. Dort ist noch meine Heimat. Und vielleicht die Summe aller Heimatorte zusammen, aller Orte der Menschheit, wohin wir Erdlinge in den weiten dunklen Himmel gesogen werden, um uns auf den Sternen der Einsamkeit niederzulassen.“
Patricia Kopatchinskaja konzentriert sich darauf, zum Kern der Musik vorzudringen, zu ihrer Bedeutung für uns – hier und jetzt. Mit einer Kombination aus Tiefe, Brillanz und Humor bringt Kopatchinskaja eine unnachahmliche Theatralik in ihre Musik. Von der New York Times als „eine Spielerin von seltener Ausdrucksenergie und entwaffnender Ungezwungenheit, von Laune und theatralischem Ehrgeiz“ beschrieben, bringt sie mit ihrem unverwechselbaren Ansatz immer die Essenz des Werks zum Ausdruck, sei es mit einer außergewöhnlichen Aufführung eines traditionellen Klassikers des Violinrepertoires, oder mit einem originellen szenischen Projekt, das sie als experimentelle Performance-Dramaturgin präsentiert.
Kopatchinskajas absolute Priorität ist die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts und die Zusammenarbeit mit Komponisten unserer Zeit wie Luca Francesconi, Michael Hersch, György Kurtág, Márton Illés, Esa-Pekka Salonen und Aureliano Cattaneo. Kopatchinskaja leitet szenische Konzerte auf beiden Seiten des Atlantiks und arbeitet mit führenden Orchestern, Dirigenten und Festivals weltweit zusammen. In dieser Saison bringt sie ihr kreatives Potenzial und ihre Vielseitigkeit in exzentrischen Neuinterpretationen und innovativ kuratierten Projekten im Rahmen ihrer Residenzen am Londoner Southbank Centre, am Wiener Konzerthaus und in der Philharmonie Essen ein. Darüber hinaus ist sie Associated Artist des SWR Experimentalstudios, eines der wichtigsten internationalen Forschungszentren im Bereich der elektronischen Musik. Als Artist in Residence leitet Patricia Kopatchinskaja dieses Jahr die Kuratierung des Festivals Golden Decade an der Dresdner Philharmonie. In einer neuen Produktion beim Festival d’Aix-en-Provence ist Kopatchinskaja diese Saison gemeinsam mit der Sopranistin Anna Prohaska im Musiktheaterwerk „Kafka-Fragmente“ von György Kurtág unter der Regie von Barrie Kosky zu erleben. Die Performance erforscht in 40 Miniaturen grenzüberschreitend das Spektrum vokaler und instrumentaler Ausdrucksformen und emotionaler Zustände.
Zu den Höhepunkten der vergangenen Saison gehörten Residenzen am Londoner Barbican Centre, bei den Berliner Philharmonikern, dem Orchestre Philharmonique de Radio France und der Elbphilharmonie Hamburg, sowie Kopatchinskajas fortgesetzte Rolle als künstlerische Partnerin der Camerata Bern. Aufsehen erregte ein gewagtes musikalisches Experiment – die Neo-Dada-Opernproduktion „Vergeigt“ am Theater Basel. Nach dem internationalen Erfolg ihrer früheren Zusammenarbeit mit dem Mahler Chamber Orchestra – „Bye Bye Beethoven“ – kehrte Kopatchinskaja für die Uraufführung einer neuen Konzertinszenierung mit dem Ensemble zurück – „Les Adieux“ – ein Projekt, das sich mit der rapiden Verschlechterung der Umwelt und dem Verlust der Natur auseinandersetzt. Kopatchinskajas Projekte befassen sich mit der Inszenierung von Musik in zeitgenössischen Kontexten, wie etwa „Dies Irae“, eine weitere musikalische Reflexion über die wachsende Umweltkrise. Kopatchinskaja tritt auch als Gesangskünstlerin in Ligetis „Mystères du macabre“ oder Schönbergs „Pierrot lunaire“ auf, wo sie die Rolle des Pierrot selbst übernimmt, sowie in ihrem Projekt, das Kurt Schwitters Gedicht „Ursonate“ als Film im Stil des Dadaismus präsentiert.
Kopatchinskajas Diskografie umfasst mehr als 30 Aufnahmen, darunter die mit dem GRAMMY ausgezeichnete Aufnahme „Death and the Maiden“ mit dem Saint Paul Chamber Orchestra, ein Projekt, das auch als halbszenisch gefilmte Aufführung mit der Camerata Bern neu aufgelegt wurde. Zu den jüngsten CD-Veröffentlichungen gehören „Les Plaisirs Illuminés“ mit Sol Gabetta und der Camerata Bern, die mit einem Preis des BBC Music Magazine ausgezeichnet wurde, und „Le monde selon George Antheil“ mit Joonas Ahonen (beide bei Alpha Classics). Das Projekt „Maria Mater Meretrix“ mit Anna Prohaska, das das Bild der Frau im Laufe der Jahrhunderte in einem musikalischen Mosaik darstellt, erschien vergangene Saison ebenfalls auf CD. Darüber hinaus war Kopatchinskaja 2023 auf einer umfangreichen Deutschlandtournee mit Sol Gabetta unterwegs, um das Album Sol & Pat sowie die musikalische Verbundenheit von mehr als zwanzig Jahren zwischen den beiden Künstlerinnen zu feiern.
Kopatchinskaja ist humanitäre Botschafterin von „Terre des Hommes“, dem führenden Schweizer Kinderhilfswerk, und wurde 2017 mit dem Swiss Grand Award for Music des Bundesamts für Kultur der Schweiz ausgezeichnet.
Camerata Bern
Die CAMERATA BERN, gegründet 1962 und bestehend aus 14 Solist:innen, steht für künstlerische Exzellenz und dafür, mit viel Neugier und Spielfreude sowohl die Tradition zu pflegen, als auch immer wieder neue Wege zu gehen und mit einem facettenreichen Programm das Publikum zu begeistern.
Die Geigerin Patricia Kopatchinskaja, der Cellist Steven Isserlis und der Fagottist Sergio Azzolini sind dem Ensemble als Artistic Partners verbunden.
Die CAMERATA BERN hat sich der künstlerischen Vielfalt verschrieben und bewegt sich zwischen der Pflege der Streichensemble-Tradition, der Beschäftigung mit historischer Aufführungspraxis und der aktiven Hinwendung zu neuen Konzertformaten und zeitgenössischer Musik. Dazu gehört auch die Vergabe von Auftragskompositionen. Die drei Artistic Partners repräsentieren je einen der Pole, müssen sich aber nicht darauf beschränken. Darüber hinaus arbeitet die CAMERATA BERN mit neuen und bereits bekannten Gästen zusammen, wie Antje Weithaas, Ian Bostridge, Anna Prohaska oder Kristian Bezuidenhout. Als Basis des besonderen Ensembleklangs wird die Kammermusik gepflegt, und für einzelne Projekte zieht die CAMERATA BERN zusätzliche Musiker:innen hinzu.
Verwurzelt in Bern mit eigener Konzertreihe, gastiert die CAMERATA BERN regelmäßig bei internationalen Festivals und in führenden Konzerthäusern in der Schweiz, in Europa und darüber hinaus. In der kommenden Saison wird die CAMERATA BERN auf gleich fünf Berner Bühnen zu erleben sein: Casino Bern, Stadttheater, Zentrum Paul Klee, Dampfzentrale und Konservatorium Bern.
Neben der Zusammenarbeit mit den drei Artistic Partners freut sich das Ensemble auf Rainer Schmidt, Anthony Romaniuk und Suyeon Kang. Im Dezember 2024 tourte das Ensemble mit Patricia Kopatchinskaja durch Japan und folgt im Mai 2025 einer Einladung zum Prague Spring Festival. Außerdem kehrt das Ensemble zurück zum Gstaad Menuhin Festival. In der Saison 2024–25 werden zwei CD-Aufnahmen erscheinen: zum einen eine Dvořák-Einspielung mit Antje Weithaas beim Label CAvi Music sowie das Programm „EXILE“ mit Patricia Kopatchinskaja und Thomas Kaufmann bei Alpha.
Die CAMERATA BERN bringt zudem regelmäßig Musik direkt zu den Menschen, fernab vom traditionellen Konzertkontext, mit Schulkonzerten im Kanton Bern und Auftritten in sozialen und pädagogischen Einrichtungen.