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22.02.25

Pavel Haas Quartett

Samstag, 22. Februar 2025, 14 Uhr

Pavel Haas Quartett

Veronika Jarůšková – Violine
Marek Zwiebel – Violine
Šimon Truszka – Viola
Peter Jarůšek – Violoncello

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Konzertdauer: ca. 50 Min. │ Pause │ ca. 35 min.
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Antonín Dvořák (1841–1904)

Aus „Zypressen“ für Streichquartett
nach dem gleichnamigen Liederzyklus

1. Moderato (Ich weiß, dass meiner Lieb’ zu dir)
2. Allegro ma non troppo (Tot ist’s in mancher Menschenbrust)
4. Poco adagio (Wird doch die Liebe nie zu frohem Ziel jemals uns leiten)
7. Andante con moto (Ich schleich’ um jenes Haus herum)
8. Lento (Im tiefen Walde steh’ ich hier)
11. Allegro scherzando (Rings die Natur nun in Schlummer und Träumen liegt)
12. Allegro animato (Und fragst du mich, warum mein Sang)


Bohuslav Martinů (1890–1959)

Streichquartett Nr. 5

I. Allegro ma non troppo
II. Adagio
III. Allegro vivo
IV. Lento – Allegro

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PAUSE
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Peter Tschaikowsky (1840–1893)

Streichquartett Nr. 3 es-Moll op. 30

I. Andante sostenuto – Allegro moderato
II. Allegretto vivo e scherzando
III. Andante funebre e doloroso, ma con moto
IV. Finale. Allegro non troppo e risoluto

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Zum Programm

Die beiden Werke, die wir heute vor der Pause hören, verbindet nicht nur die Tatsache, dass sie von tschechischen Komponisten stammen. Beide sind außerdem mit sehr persönlichen Erinnerungen verbunden, wobei sich die intensiven Gefühle unerfüllter Liebe aber auf sehr unterschiedliche Weise artikulieren.

1865, im Alter von 24 Jahren schrieb Antonín Dvořák den 18-teiligen Liederzyklus „Zypressen“ nach Gedichten von Gustav Pfleger-Moravský (1833–1875). Dessen melancholische, von Liebesschmerz durchzogene Lyrik sprach Dvořák zu dieser Zeit offenbar aus der Seele, denn seine Leidenschaft für seine Klavierschülerin Josefina Čermáková war nicht erwidert worden (1873 heiratete er deren jüngere Schwester Anna). Über 20 Jahre später kam Dvořák auf diese frühen Lieder zurück und arbeitete zwölf von ihnen für Streichquartett um. Mit „Liederechos“ hat er sie im Manuskript überschrieben, was ihren Charakter und den Bezug zu den gesungenen Vorlagen schön ausdrückt. Die heutige Auswahl an sieben Stücken zeigt die ganze Bandbreite dieser Quartett-„Zypressen“: den Wechsel inniger Melodik mit impulsiver Erregtheit, wie sie in den Nummern 1, 2, 8 und 12 in unterschiedlicher Abfolge auftreten und manchmal einander ins Wort fallen; die innige Emotionalität in Nummer 4; die unter der Melodielinie zitternde Unruhe in Nummer 7; das unbekümmert Musikantische in Nummer 11. Die satztechnische Behandlung der der vier Instrumente ist meisterhaft, wobei der Ensembleklang und die Individualisierung von Einzelstimmen ganz selbstverständlich ineinander verschränkt erscheinen.

Auf eine komplizierte Beziehung reagierte auch Bohuslav Martinů. Der seit 1923 in Paris lebende und seit 1931 verheiratete Komponist lernte dort 1937 Vítezslava Kaprálová kennen und unterrichtete die begabte Stipendiatin aus Prag. Aus der Freundschaft wurde mehr, ohne dass der Verbindung eine Zukunft beschieden gewesen wäre. Dem expressiven Furor des 1938 komponierten, gleichsam ausweglos um die Tonart g-Moll kreisenden 5. Streichquartett ist aber nicht nur Martinůs persönliche Lebenssituation eingeschrieben. Das Werk spiegelt auch seine düsteren Ahnungen angesichts der politischen Lage wider. Kurz nach der Fertigstellung des Quartetts sollte er seine tschechische Heimat ein allerletztes Mal besuchen, ehe er 1941 in die USA emigrieren musste. Die rastlose, von harschen Dissonanzen durchsetzte Motorik des Allegro ma non troppo beruhigt sich nur kurzzeitig für leidenschaftlich-kantable Episoden. Die Stimmung im Adagio ist düster verschattet, Tremoli und eine fast zwanghaft wiederkehrende Einzelton-Wiederholung (gezupft und gestrichen) verbreiten eine klaustrophobische Stimmung, die weder vom leidenschaftlich sich aufbäumenden Mittelteil, noch von den Trostandeutungen am Ende relativiert werden können. Das grimmige Allegro vivo nimmt den Bewegungsimpuls des ersten Satzes wieder auf und wendet ihn ins verbissen Spielerische, die hartnäckigen Pizzicati schlagen den Bogen zum langsamen Satz zurück. Nach einer langsamen, brütenden Lento-Einleitung, die über ein Drittel des gesamten letzten Satzes ausmacht, schlägt Martinů mit dem vergleichsweise selbstbewussten Unisono-Thema des Allegro einen neuen Tonfall an. Die Verzweiflung des bisher Erklungenen ist nicht verflogen, erscheint nun aber umgewandelt in ein trotziges Nach-vorne-Blicken. Diese Rückversicherung auf die Kraft der Kreativität staut sich in einer mächtigen Verlangsamung – Schlusspunkt und Fragezeichen zugleich.

Einen persönlichen Auslöser gab es auch für die Komposition des Streichquartetts Nr. 3 es-Moll op. 30 von Peter Tschaikowsky. Der tschechische Geigenvirtuose Ferdinand Laub, der seit 1866 als Pädagoge und Quartettprimarius in Moskau wirkte und Tschaikowsky zu dessen ersten beiden Quartetten angeregt hatte, war 1875 unerwartet verstorben. Seinem Andenken widmete Tschaikowsky das ein Jahr später uraufgeführte es-Moll-Quartett. Die emotionale Spannweite dieses Ausnahmewerks deutet sich schon in der ungemein dichten langsamen Einleitung des Kopfsatzes an, die sich zwischen Trauer, verzweifeltem Aufbegehren und melodischem Trost bewegt. Dramatisch zupackend entwickelt sich der anschließende Sonatensatz. Dieser kreist vor allem um die fast manische Verarbeitung des Seitenthemas mit seinem charakteristischen Triolenmotiv, das zusammen mit einer in der Durchführung hinzukommenden Gegenpunktierung beinahe den kompletten, weit ausladenden Satz prägt. Als eine Art Atempause steht an zweiter Stelle ein vergleichsweise kurzes Scherzo-Intermezzo. Eine durchlaufende Sechzehntel-Figur treibt dieses Allegretto vivo e scherzando motorisch voran, der Trio-Mittelteil weist mit einem punktierten Motiv auf den ersten Satz zurück. Das Herzstück des Quartetts bildet das anschließende Andante funebre e doloroso, das seinen trauernden, schmerzlichen Charakter schon im Titel trägt. Die durchgehend mit Dämpfer spielenden Streicher stimmen einen nach innen gewandten Trauermarsch an, ein Choral mit Rezitationston in der zweiten Violine verweist auf die orthodoxe Liturgie, eine melancholische Melodie spendet Trost, ehe der zunächst im pianissimo wiederkehrende Kondukt überraschenderweise in höchster Lage endet. Diese Aufhellung erweist sich als Vorbereitung des überraschend optimistischen Finales, das in Es-Dur auf sein triumphales Ende zustürmt. Kurz zuvor blickt Tschaikowsky allerdings noch einmal auf die langsame Einleitung des ersten Satzes zurück – ein letztes Lebewohl an den verstorbenen Kollegen und Freund.

Dr. Juan Martin Koch (c) 2025 Kulturwald gGmbH


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Pavel Haas Quartett

Das Pavel Haas Quartett wird auf der ganzen Welt für seinen Klangreichtum, seine ansteckende Leidenschaft und sein intuitives Zusammenspiel verehrt. Mit Auftritten in den renommiertesten Konzertsälen der Welt, fünf Gramophone-Awards und zahlreichen anderen Auszeichnungen hat sich das Quartett als eines der führenden Kammermusikensembles der Welt etabliert.

Das Quartett tritt in den bedeutenden Konzertsälen auf, darunter die Wigmore Hall London, das Konzerthaus Berlin, der Musikverein Wien, die Elbphilharmonie Hamburg, das Concertgebouw und Muziekgebouw Amsterdam, die Tonhalle Zürich, das Théâtre de la Ville Paris, die Accademia di Santa Cecilia Rom, das BOZAR Brüssel, das NCPA Peking, das LG Arts Centre Seoul und die Carnegie Hall New York.

Zur Feier seines 20-jährigen Bestehens erschien das Pavel Haas Quartett im Sommer 2022 auf der Titelseite des Magazins The Strad. Außerdem wurde das Quartett im BBC Music Magazine portraitiert und zu einem der „10 größten Streichquartett-Ensembles aller Zeiten“ gekürt und als „stilistisch kraftvoll und klangvoll (…) bekannt für seine leidenschaftlichen und furchtlosen Auftritte“ beschrieben.

Zu den Höhepunkten der Saison 24/25 gehörte die Rückkehr in die Carnegie Hall zur Feier des Jahres der tschechischen Musik 2024, wo das Quartett neben der Tschechischen Philharmonie und dem Prager Philharmonischen Chor spielte. Außerdem kehrt das Quartett u.a. in die Wigmore Hall, das Concertgebouw in Amsterdam, die Liederhalle Stuttgart und den Musikverein zurück. Zu den Festivalauftritten gehören: Rheingau Musik Festival, Schubertiade, Bath Mozartfest und die Dvorák Prager Festspiele. Im Dezember 2024 und März 2025 unternimmt das Quartett eine Tournee durch Nordamerika.

Seit September 2022 ist das Pavel Haas Quartett für drei Jahre Artist-in-Residence des Dvořák Prague Festivals. Es kuratiert die Kammermusikkonzerte und programmiert darüber hinaus alle Streichquartette und Kammermusikwerke Dvořáks für die kommenden drei Spielzeiten.

Das Pavel Haas Quartett nimmt exklusiv für das Label Supraphon auf. Das 2022 unter großem Applaus der Kritiker erschiene Album mit den Quintetten von Johannes Brahms knüpft an die Einspielung der Quintette von Antonín Dvořák an. Für beide Aufnahmen hat das Quartett den Pianisten Boris Giltburg und sein langjähriges Quartettmitglied Pavel Nikl an der Bratsche eingeladen.

The Strad beschrieb die Aufnahme als „strahlend und lebendig“ und sie wurde von Presto Classical zur Aufnahme der Woche gekürt. Für ihr letztes Album mit Schostakowitsch-Streichquartetten (2019) erhielten sie vom Classic Prague Awards die Auszeichnung Recording of the Year, überdies wurde es von The Times als eines der „100 besten Alben des Jahres“ ausgezeichnet.

Weitere Aufnahmen des Ensembles umfassen bedeutende Werke des tschechischen Repertoires von Leoš Janáček, Pavel Haas, Antonín Dvořák, Bedřich Smetana sowie von Sergej Prokofjew, Franz Schubert und Dmitri Schostakowitsch. Das Quartett wurde mit internationalen Spitzenpreisen ausgezeichnet: sechsmal erhielt es den Gramophone Award of the year, zweimal den BBC Music Magazine Award, einmal den Diapason d'Or de l'Année und darüber hinaus unzählige Anerkennungen in den Rezensionen renommierter Medien in aller Welt.

Im Jahr 2005 gewann das Pavel Haas Quartett den Paolo Borciani Streichquartett-Wettbewerb und wurde 2007 von der Kölner Philharmonie nominiert und in das Rising Stars-Programm der Europäischen Konzertsaal-Vereinigung (ECHO) aufgenommen. Von 2007 bis 2009 nahm es am BBC New Generation Artists Scheme teil und erhielt 2010 ein Stipendium des Borletti-Buitoni Trusts.

Der Name des Quartetts geht auf den tschechischen Komponisten Pavel Haas (1899–1944) zurück, der 1941 nach Theresienstadt deportiert und drei Jahre später in Auschwitz ermordet wurde. Zu seinem Vermächtnis gehören drei wunderbare Streichquartette.